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Jetzt ist der Moment zu erkennen, was geschieht!

Eine Predigt von Pfarrer Bodo Meier.



Online-Predigt zum Palmsonntag 5. April 2020



Lieder zum Anhören, Genießen und Mitsingen:


Evangelisches Gesangbuch 91: Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken



Evangelisches Gesangbuch 314: Jesus zieht in Jerusalem ein



Predigt in Schriftform zum Nachlesen:


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Diese Zeit verändert uns. Natürlich! Denn es sind unsichere Zeiten, die die allermeisten von uns noch nie erlebt haben. Für mich als einfachen Bürger hat sich neben meinem Beruf mein Alltag – gar nicht so sehr zu Hause, aber deutlich beim Besuch des Supermarktes verändert: Einkaufswagen-Pflicht, verschanzte Kassiererinnen, leere Regale. Menschen hamstern – keiner weiß warum, aber sie tun es. Sie decken sich ein und bevorraten sich nicht nur, sie über-vorraten sich.


Es sind nicht die Zeiten der Verschwendung: „Ach egal, kauf ich morgen eben was Neues!“ Nein, verschwendet wird nichts mehr. Es wird gehortet.


Auf der anderen Seite scheint es so, als ob Menschen mehr aufeinander achteten. Viele gehen sogar an ihre Grenzen im Einsatz für andere. Im Beruf, aber auch im Ehrenamt, mit vielen Ideen, kreativ und oft völlig neu. Nicht wenige sind schon über ihre Grenzen hinaus: Ärzte, Pfleger, viele kleine und Kleinst-Unternehmer. Die wissen oft nicht mehr, wovon sie im nächsten Monat noch leben sollen. Staatliche Hilfe tut Not und wird auch auf viele Weisen gewährt, die noch vor wenigen Wochen undenkbar waren, weil sie den Gesetzen des freien Marktes und der Börse völlig zuwider laufen. Darin könnte grundsätzlich eine Chance liegen, auch über diese unsicheren Zeiten hinweg. Aber das ist ein anderes Thema, wenn es auch uns als ganze Gesellschaft angeht.


Jedenfalls halten wir im Augenblick alle Kräfte zusammen. Nach Verschwendung ist niemandem zumute.


Wie groß muss da die Verwunderung, ja der Ärger gewesen sein, als in solch unsicheren Zeiten voller Angst und Sorge, was morgen schon sein könnte, als da ein ganzes Jahresgehalt zerbrach und verschüttet wurde. Ohne Vorwarnung, ganz plötzlich: auf Jesu Haupt und Haar!


Wir kennen diesen Vorfall vom Evangelisten Markus. In seinem 14. Kapitel erzählt er uns:

„Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und den Tagen der ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten. Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe.


Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.


Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.“ (Mk 14, 1-9)

Jesus und seine Jünger in Jerusalem. Sein Einzug war triumphal. Was sind sie ihm entgegen gelaufen, haben ihm zugejubelt! Die Hohenpriester hatten die Faust in der Tasche. Ihnen stand alle Ehre zu. Sie allein hüteten die Geheimnisse des Tempels. Und jetzt dieser Jubel für einen Wanderprediger auf einem Esel. Ein, zwei Tricks mit Lepra-Kranken hatten ihn berühmt gemacht. Jetzt macht er sich über unseren Tempel lustig: Kein Stein würde auf dem anderen bleiben. So etwas untergräbt unsre Stellung. Wir haben etwas zu verlieren. Deshalb muss Jesus alles verlieren. Bevor es für uns zu spät ist.


Jesus war schon längst unter die Beobachtung der Mächtigen geraten. Die Jünger spürten das. Jesus wusste das. Sie waren bei einem Aussätzigen untergekommen. Wo auch sonst. Jesus war immer da, wo Menschen sich ohnmächtig und elend fühlten, da wo Menschen ausgegrenzt, aussätzig gemacht werden. Seine Jünger kannten das schon.


Aber nicht das, was nun geschah – weil es gar nicht geschehen durfte, und Jesus es doch geschehen ließ. Eine Frau kam herein, ohne ein Wort, niemand kannte ihren Namen. Sie hatte eine kleine Phiole dabei mit Öl darin. Sie sah Jesus und zerbrach das Fläschchen und alle rochen es sofort: Nardenöl. Das teuerste überhaupt. Vom Himalaya herbei geschafft.


So ein Gläschen voll kostete einen Tagelöhner, also die meisten Menschen damals, einen ganzen Jahreslohn. Ein Jahr Arbeit! Damit wäre ein Mann ein ganzes Jahr satt geworden. Oder sage und schreibe 300 Menschen wären über den nächsten Tag gekommen, was viele von denen gar nicht kannten: Die Gewissheit auf Morgen! Was für eine Verschwendung von Geldern. Was für eine Missachtung der Worte Jesu: Selig sind die Armen!


Außerdem: Was wagt sie als Frau die Runde der Männer zu stören, was berührt sie den Meister? Eine zweifelhafte Person, wenn sie die einfachsten Regeln missachtet. „Jesus, es hilft uns nicht, wenn du inkonsequent bist. Die Mächtigen suchen nur nach einem Grund, dich anzuklagen. Eine solche Frau passt nicht zu deiner Lehre reiner Gottesfurcht.“


Lasst sie, sagt Jesus, und erinnert damit an die Ehebrecherin, die er vor der Masse rettete, die sie schon verurteilt hatte. Lasst sie! Und kümmert euch um Arme, wann und wie ihr wollt. Jetzt ist nicht der Moment, die Armut aus der Welt zu schaffen. Jetzt ist der Moment zu erkennen, was geschieht! Hier und Jetzt: Ich werde nicht immer bei euch sein.


Das Wort irritiert. Lernen wir nicht seit den Tagen unsres Kindergottesdienstes, dass der liebe Jesus immer für uns da ist, so als guter Freund, der mir immer zuhört?

Seht ihr nicht, sagt Jesus. Jetzt wurde ich gesalbt. Jetzt geschieht etwas. Einmalig ändert sich etwas in eurem Leben und meinem Tod. Denn ich werde sterben. Nichts für immer und ewig, aber ein für alle Mal!


Dieses Öl ist mein Begräbnis. Wer auch immer diese Frau ist: Ihr bisheriges Leben verblasst, weil sie hier und jetzt eine Prophetin wurde, indem sie das denkbar Kostbarste für meine Totensalbung gab. Wie die großen Propheten Zeichen taten, dass Menschen Gottes Wort sehen konnten. Wie das Wort Gottes schon Wirklichkeit wurde in den Zeichen der Propheten, bin ich mit dem Zeichen dieser Prophetin schon gestorben. Ich bin nicht allezeit bei euch, weil ich wirklich das Reich des Todes sehen werde.


Ein für all Mal geschieht das Unmögliche: Des lebendigen Gottes Sohn stirbt. Wie also könnte hier Verschwendung sein? Dieses Öl kann gar nicht kostbar genug sein. Denn wenn damit schon den Armen das Leben Morgen sicher wäre, so ist es kostbar wie das Leben – und das Zeichen, das Jesus zum Gesalbten macht, auf Latein zum Christus. Kein Tod wird ihn halten, denn der ihn sandte, schuf das Leben.


Christus zu seinem Begräbnis gesalbt. Mit einmaliger Kostbarkeit gesalbt zum lebendigen Christus. Einmalig was geschah. Wie hätten die Jünger auch begreifen können? Wie können wir? Wir können nur von der Frau erzählen. Jesus mahnt uns dazu. Denn sie hat nichts verschwendet. Nur Christus sich selbst – für uns! Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Pfarrer Bodo Meier

Palmarum

5. April 2020



Gebet:


Du Sohn Davids, unser Befreier,

manchmal wünschen wir, du kämst in sichtbarer Hoheit daher und würdest auf einen Schlag alles Elend beenden.


Aber du kommst auf einem Esel geritten, als machtloser Mensch, und dein Weg führt in Leid und Sterben.


Du enttäuschst uns, wenn wir von dir göttlichen Zauber erwarten. Aber du tröstest alle, die auf eine neue Welt hoffen, denn die Macht deiner Liebe verschafft dir den Sieg über alles Böse.

Mach uns frei von falschen Erwartungen und lehre uns, dir mit dem Mut der Demut zu folgen.


Amen.


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