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Was Gott verheißt, ist schon Wirklichkeit. Deshalb werden Menschen in Christi Gegenwart heil!

Eine Predigt von Pfarrer Bodo Meier.



Online-Predigt zum fünften Sonntag nach Trinitatis – 12. Juli 2020


Predigt in Schriftform zum Nachlesen:


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Noch nie sind in einem vergleichbaren Zeitraum mehr Menschen aus den beiden großen Kirchen in unserem Land ausgetreten als im letzten Vierteljahr. Diese Zeit der Epidemie hat ganz offensichtlich eben nicht dazu geführt, dass die Menschen in unsicheren Zeiten sich wieder an ihre Kirche erinnern, Sicherheit und Hoffnung in ihr zu suchen und zu finden. Es stimmt wohl nicht mehr, dass Not Beten lehrt.


Dabei haben wir uns solche Mühe gegeben. Wir fanden neue Wege, die Menschen zu erreichen. Wir sagten Worte der Hoffnung für die, die sich sorgten um sich selbst und ihre Lieben. Wir predigten von Gott, der auf keinen Fall will, dass wir sterben, schon gar nicht an diesem Virus. Unser Gott schenkt Leben, ist gnädig, sieht uns liebevoll an.


Sicher gab es auch Menschen, denen unsere Botschaft wohl tat. Aber den meisten bleibt unsere Kirche gleichgültig. Der Verlust an Glauben und damit der Verlust Gottes im Leben Vieler ist so groß, dass er noch nicht einmal mehr als Verlust empfunden wird. Eher als Erleichterung von uraltem, unnützen Ballast. Was sie von der Kirche hören, hören sie auch anderswo: „Sei nett zu deinem Mitmenschen. Gewalt ist keine Lösung, sei solidarisch mit den Armen.“ So redet jeder in unserer sozialen demokratischen Gesellschaft. Dazu brauche ich keine Kirche. Geht doch weg mit eurem Gott!


Geh weg! So sprach auch Petrus – damals am See Genezareth. Geh weg, Jesus! Geh weg von mir! Petrus meinte das wirklich so.


Nur wir, die wir uns noch zur Kirche halten, die die biblischen Geschichten seit Kindertagen kennen, wir hören das nicht mehr. Wir stellen uns nur diesen Petrus vor, wie er fromm vor unserem Christus kniet. Petrus vertraut Jesus und dafür wird er mit vielen Fischen belohnt. Das ist unsere Geschichte, die wir aus dem Schrecken gemacht haben, der Petrus bis ins Mark fuhr. Heute sind wir gefordert, diese schöne Geschichte vom Fischzug des Petrus als Evangelium zu hören.


Evangelium, das uns erschreckt, uns beunruhigt und alles auf die Probe stellt, was uns in Kirche und unserer Gemeinde lieb und wert ist. Denn diese Geschichte ist vielschichtig und führt uns im wahrsten Sinne des Wortes in Tiefen, die wir lieber meiden und vor denen wir als gute Christen andere bewahren wollen. Christus führt uns da mitten hinein.


Es beginnt damit, dass viele Menschen diesen Jesus hören wollen. Natürlich. Jesus ist berühmt geworden, weil er viele Menschen gesund gemacht hat, sie befreit hat von ihren Gebrechen. Seine Predigt am See Genezareth ist nur eine kurze Unterbrechung. Schon bald danach wird er wieder das Leben vieler Menschen heil machen. Alles drängt sich nun um Jesus. Er braucht Abstand von den Menschen. Damit sie ihn besser hören können. Er sucht sich eine Bühne. Ungefragt steigt er in eines der Boote. Es gehört Simon.


Hier schon fängt die Zumutung an. Jesus hat nicht darum gebeten, geschweige denn gefragt. Heute sollte das mal einer wagen, einfach in mein Auto zu steigen und zu sagen: Fahr los! Jesus wagt es. Nein, es ist für ihn selbstverständlich. Petrus nimmt es erstaunlicher Weise hin und rudert ein Stück aufs Wasser hinaus, damit Jesus der Menge gegenüber steht. Von seinen Worten erfahren wir nichts. Und doch alles. Doch dazu später.


Denn jetzt wird es für Petrus lebensgefährlich. Jesus fordert ihn zu einem Fischzug auf – gegen jede Regel. Er soll ins Tiefe fahren und unter heller Sonne mitten auf dem See Fische fangen. Der Fischer-Profi Petrus sollte misstrauisch werden. Sein Boot ist nicht für den tiefen See gemacht. Petrus soll sich in Gefahr begeben. Ein schwankendes Bötchen mitten auf einem von Winden tückischen See.


Jesus bringt uns nicht in einen sicheren Hafen, schon gar nicht an den heimischen Herd, um uns mit dem lieben Gott dort wohlzufühlen und alle dazu einzuladen. Christus ruft uns heraus aus allem, was uns sicher scheint, aus allem, worauf wir uns verlassen. Unser Satz, der uns so große Glaubensgewissheit schenkt: „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand“ würde Petrus zynisch vorgekommen sein. Sein Leben blickt gerade in unbekannte, schwarzen Tiefen und ist unmittelbar bedroht. Und er bekommt keinerlei Begründung dafür. Nicht ein Wort des Zuspruchs, der Zuversicht. Nur: Wirf dein Netz aus. Jetzt! Hier!


Was nicht sein kann, was gegen jede Erfahrung, gegen jede Prognose ist, geschieht. Das Fischernetz wird voll, übervoll, so voll, dass schon wieder Gefahr droht. Die Menge der Fische droht das Boot zu kentern. Hilfe muss herbei. Das ist kein großzügiges Geschenk für frommes Gottvertrauen, das ist eine Machtdemonstration Gottes, des Schöpfers aller Kreatur, der in dem Menschen Jesus neben Petrus steht. Im selben Boot.


Geh weg! Ruft Petrus! Du bist Gott. Ich bin Geschöpf. Wieso hast du das getan? Wie kann ich jetzt noch heim zu Frau und Schwiegermutter und so tun, als wäre nichts gewesen? Mein Dorf wird mich von nun an misstrauisch beäugen, mindestens hinter mir her tuscheln: „Dieser Petrus. Unheimlich, damals mit seinen Fischen im Netz. Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu. Warum ausgerechnet der. Dieser Dummkopf. Da hätten es andere mehr verdient. Wieso tut Gott so etwas?“


Petrus wird Jesus nicht überschwänglich Dank gesagt haben für die vielen Fische. Im Gegenteil: Warum er? Warum nimmt Gott mir alles, was mein Leben ausmachte? Was ist mit meiner Familie, wenn ich ihr sage, dass ich sie verlassen muss? Heute singen wir die vierte Strophe von Luthers „eine feste Burg“ nicht mehr: „Gut, Ehr, Kind und Weib: lass fahren dahin.“ Denn das kann doch wohl kein Gott verlangen. Petrus muss dieses Lied nicht nur singen, er muss es durchmachen. All das will Christus von ihm.


Schrecken hatte ihn erfasst natürlich. Ganz zu schweigen von den Brüdern, seinen Gefährten, Jakobus und Johannes, deren Vater gerade seine Altersversicherung verliert, da seine Söhne auch ihn verlassen. Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch! Wer wollte es diesem Petrus in seiner Not verdenken.


„Fürchte dich nicht!“ Nur drei Worte. Und noch immer keine Begründung, keine Erklärung, nichts, das Petrus würde beruhigen können, ihm Halt und Sicherheit gäbe. Christus spricht nur drei Worte: „Fürchte dich nicht!“ Der Sohn Gottes rechtfertigt sich nicht. Er legt auch nicht dar, warum er so oder so handelt. Er lässt sich auch nicht weg schicken – geh weg: als hätte er es nicht gehört.


Aber er hat Petrus gesehen: Als er in sein Boot stieg. Als Jesus den Menschen Gottes Wort sagte. „Der Geist des Herrn ruht auf mir, dass Arme das Evangelium hören, Blinde sehen, Gefangene frei werden und Zerschlagene in die Freiheit entlassen werden. Es beginnt das Gnadenjahr des Herrn.“ So las er den Jesaja in der Synagoge. Was Gott verheißt, ist schon Wirklichkeit. Deshalb wurden die Menschen in Christi Gegenwart heil. Deshalb werden Menschen in Christi Gegenwart das Leben schauen. Deshalb geht Christus nicht weg, selbst wenn wir darum flehen, dass sich doch bitte nichts in unserem Leben ändern soll. „Fürchte dich nicht!“ ist Gottes einzige Antwort darauf.


Rufen wir den Menschen nicht mehr hinterher, wie schön es bei uns in der Kirche ist. Rufen wir sie heraus „Fürchtet euch nicht!“ Gott sieht euch an. Verlasst alles, was war, und seht, und werdet frei!

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in

Christus Jesus. Amen.


Pfarrer Bodo Meier

Lukas 5, 1-11

5. Sonntag nach Trinitatis

12. Juli 2020


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