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Videopredigt zum Sonntag Rogate

Eine Predigt von Pfarrer Bodo Meier.



Online-Predigt zum Sonntag Rogate – 09. Mai 2021



Lieder zum Anhören, Genießen und Mitsingen:


Evangelisches Gesangbuch 344: Vater unser im Himmelreich


Lider zwischen Himmel und Erde 70: Vater unser Vater




Predigt in Schriftform zum Nachlesen:


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unsrem Vater und unsrem Herrn Jesus Christus. Amen


Der Sturm wird immer schlimmer. Die Wellen türmen sich immer höher auf. Das Schiff mitten zwischen den Wellenbergen. Der Orkan peitscht über das Deck. Seenot! Ein Offizier meldet: das Schiff treibt antriebslos in die schäumende See. Der Kapitän schaut in den Sturm und denkt: Jetzt hilft nur noch beten.

Er konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Er muss jetzt zur Schule. Heute schreibt er Mathe. Wenn er keine drei schreibt, ist die Versetzung gefährdet. Ja, ich weiß, denkt er. Ich hätte mehr tun müssen. Aber Mathe konnte ich noch nie. Wenn jetzt die falschen Aufgaben kommen, dann gute Nacht. Dann hilft nur noch beten.

Fußball-Endspiel. Letzte Minute. Die Spannung ist kaum noch auszuhalten. Noch immer steht es unentschieden. Ein Spieler läuft jetzt mit dem Ball Richtung Tor – da fällt er hin. Ein Pfiff: Elfmeter! Nur noch dieser Elfmeter, dann wird abgepfiffen. Ein Spieler nimmt den Ball und legt ihn auf den Elfmeter-Punkt. Er denkt das gleiche wie der Torwart: Jetzt hilft nur noch beten.


Wenn nichts mehr hilft, dann hilft nur noch beten. Vielleicht. Viele Menschen denken so. Und beten auch so. Immer dann, wenn sie ängstlich etwas erwarten. Immer dann, wenn etwas gelingen muss. Immer dann, wenn sie es nicht mehr selbst in der Hand haben. Dann hilft nur noch beten.

So sagen wir und sind damit meilenweit von unsrem Gott entfernt. Ich hätte die drei Geschichten auch ganz anders erzählen können. Der sinkende Kapitän, der mangelhafte Mathe-Schüler und die Spieler vorm Elfmeter hätten auch sagen können: Jetzt hilft nur noch Daumen drücken. Es ist das Gefühl, irgend einem Schicksal ausgeliefert zu sein – ohnmächtig. Wenn dann doch alles gut geht, dann habe ich „Schwein gehabt“.

„Schicksal“ und „Schwein haben“ sind so ungefähr die höheren Mächte, auf die wir uns in unsrer Gesellschaft noch allgemein verständigen können. Wer weiß schon noch etwas vom Gott der Christen. Man will ja nicht als religiös rückständig oder gar als fundamental gelten. Also lieber Schwein haben und das Schicksal fürchten. Beten nur dann, wenn schon alles vorbei ist, all unsre Kräfte am Ende. Dann soll ein Gott es für uns richten, uns vor Schicksal bewahren, damit wir noch mal Schwein haben - angeredet wird er dann oft mit „wenn es dich gibt“.

Doch das Gebet zum Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, des Vaters Jesu Christi ist ein ganz anderes. Es steht nicht am Ende all unsres Tuns und unsrer Hilfe. Es steht am Anfang all dessen, was wir tun und hoffen. Nicht wir vertrauen Gott im Gebet unser Leben an. Gott vertraut uns in unsrem Leben sein Wort an. Und das ändert alles. Im Buch Jesus Sirach, einem Buch jüdischer Weisheit neben den Psalmen und den Sprüchen Salomos, beschreibt das Gebet in seinem 35. Kapitel so:


„Gott hilft dem Armen ohne Ansehen der Person und erhört das Gebet des Unterdrückten. Er verachtet das Flehen der Waisen nicht noch die Witwe, wenn sie ihre Klage erhebt. Laufen ihr nicht die Tränen die Wangen hinunter, und richtet sich ihr Schreien nicht gegen den, der die Tränen fließen lässt? Wer Gott dient, den nimmt er mit Wohlgefallen an, und sein Gebet reicht bis in die Wolken. Das Gebet eines Demütigen dringt durch die Wolken, doch bis es dort ist, bleibt er ohne Trost, und er lässt nicht nach, bis der Höchste sich seiner annimmt und den Gerechten ihr Recht zuspricht und Gericht hält.“


Auf dreifache Weise wird hier von Gott gesprochen, wie er unsre Gebete hört. Erst einmal gleich einem Bekenntnis: Gott hilft dem Armen ohne Ansehen. Gott also hört auf unsre Gebete. Er hört sie wirklich.


Dann aber ist in merkwürdiger Weise von Wolken die Rede, als ob sie eine Barriere, ein Hindernis für unsre Gebete seien. Eine ziemlich bildhafte Vorstellung: Unser Gebet kann auch in den Wolken hängen bleiben, so dass sie nicht zu Gott gelangen. Vordergründig mag das eine Erklärung sein, warum so manches ehrlich gesprochene Gebet doch nicht erhört wird: Das Schiff sinkt, die Mathe-Arbeit ist vergeigt, der Elfmeter verschossen. Doch wir werden hier gewarnt, das Gebet als Forderung zu verstehen, die wir womöglich noch einklagen könnten. Es ist geradezu anders herum. Denn das Bild des in die Wolken aufsteigenden Gebets erinnert stark an die alten Rituale des Brand- und Rauchopfers. Natürlich hofften die Menschen auch damals schon, dass Gott ihr Opfer gnädig ansieht. Aber sie hielten eine Zeremonie, einen Ritus, einen Gottesdienst in Wort, Zeichen und Tat, wie sie es zuvor von ihrem Gott gehört hatten. Kein willkürliches Wunschkonzert: Sieg im Fußball, eine eins in der Schule, und auch keine Garantie in Lebensgefahr. Stattdessen das Wissen um unsren Gott, darum, was Gott uns auftrug zu sagen, zu beten und zu tun.

Beten kommt nicht aus uns, was Menschen sich so wünschen: Erfolg, Glück und ewige Sicherheit. Beten kommt von Gottes Gebot, seiner Weisung, was und wie wir Menschen miteinander, füreinander vor Gott leben und hoffen können. Und das ist mehr als die genaue Beschreibung wie ein Opferritual gehalten werden soll - minutiös in den Büchern Mose beschrieben – als Gottes Wille an uns.


Es ist Gottes Wort an uns in seiner ganzen Fülle. Deshalb hört er, Gott selbst, das Flehen und Klagen der Waisen und Witwen. Denn wir können hören die Gebote Gottes von der Nächstenliebe und Gottes Gerechtigkeit. Das Schreien der Witwe zu Gott richtet sich nämlich ebenso an die, die deren Tränen fließen lassen, also an uns, die wir die Schwachen vergessen oder sogar ausbeuten.


Das Gebet der Witwe beginnt nicht mit „lieber Gott“ und endet nicht mit „Amen“. Ihr Gebet ist der Schrei ihres ungerechten Leids, das vor Gott kommt. Also – so spricht unser Gott heute – also dient mir, eurem Gott nach meinem Wort, das ihr kennt, dass euch offenbart wurde und offen vor euch liegt. Dient Gott und verschafft der Witwe ihr Recht. Das sei euer Gebet. Weil ihr meinen Willen kennt, meine Gebote befolgt und auf meine Gerechtigkeit hofft.

Noch ist es nur Hoffnung. Denn euer Gott weiß, dass seine Schöpfung noch nicht vollendet ist. Er wird abwischen alle Tränen – so sicher wie er unser Gebet erhört. Aber noch hoffen wir darauf, bis an den Tag, da die Tränen abgewischt sind und unsre Gebete alle Wolken durchbrochen haben, weil erfüllt sein wird das Leben voller Gerechtigkeit ohne jede Angst und ohne jeden Tod.

Bis dahin, spricht unser Gott, bis dahin hört ihr zu – wie mein Wille das Leben hervor bringt – und ich höre eurem Gebet zu, dass mein Wille geschehen soll, euch allen bekannt durch mein eines Wort. Bevor ihr also fremdes Unrecht beklagt, mit eurem Schicksal hadert oder einfach nur Glück einfordert, achtet darauf, dass es nicht euer Werk ist, euer Wille und Eure Lebensversicherung, wie ihr sie euch vorstellt.


Gott entscheidet kein Spiel, aber er achtet darauf, ob wir auf fair-play achten. Gott besteht keine Prüfungen für uns. Aber lässt uns in der Angst bestehen. Gott allein weiß, warum er Leid unverschuldet zumutet. Aber wir wissen, dass er mitten darin bei uns ist. Und das endlich ist das Dritte, was wir über Gott und das Gebet erfahren: Mitten im hoffnungslosen Tode, vollendet er das Leben. Mitten im Gericht werden wir gerettet. Wir werden leben. Denn es ist Gott, der uns das Beten lehrt. Es ist doch sein Wort, das wir hören, wenn wir beten. Amen


Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen



Pfr. Bodo Meier

Predigt über JesSir 35, 16-22

Rogate

09.05.2021



Gebet


Gott, nimm uns hinein in die Weite deines Reiches, in den Horizont der wachsamen Liebe, dass wir sehen, was du siehst auf dieser Erde.

So werden wir beten und unser Herz auftun

für Menschen, die wir nicht kennen;

für Fremde, Fragende und Suchende;

für die, die unsicher sind und furchtsam,

und für die Kleinen, die wir übersehen.

Wir beten für die, die gequält werden,

und für die, die andere Menschen leiden lassen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Wir beten für die, die an ein Ende gekommen sind und nicht mehr hoffen.

Und wir beten für uns – müde geworden und oft ohne Hoffnung, die dem nächsten Tag traut.

Nimm unser Gebet auf dein Herz und sieh, dass es besser mit uns werde und uns dein Lob gelingt, da du allein gut bist.

Amen

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