Eine Predigt von Pfarrer Bodo Meier.
Online-Predigt zum Sonntag Kantate – 10. Mai 2020
Lieder zum Anhören, Genießen und Mitsingen:
Evangelisches Gesangbuch 302: Du, meine Seele, singe
Evangelisches Gesangbuch 287: Singet dem Herrn ein neues Lied
Predigt in Schriftform zum Nachlesen:
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
Ein großes Fest sollte es werden! Einmalig und noch nie da gewesen. Alle sollten staunen vor Ehrfurcht und Freude. Ein Festtag, wie ihn das ganze Land noch nie gesehen hat – unvergesslich! Viel war vorzubereiten. Lange, lange schon liefen die Planungen für diesen Tag – eigentlich schon über Jahre. Jeder hatte seine Aufgabe. Nichts war dem Zufall überlassen. Alle wussten um die Bedeutung des Moments. Also gab es eine strenge Regie. Alles war perfekt durchdacht. Wer dabei war, kannte seinen Text, wusste was er wann wie zu tun hatte, wo er zu stehen und wohin er zu gehen hatte. Alles sollte erhaben sein, voller Würde und Pracht. Nichts war zu viel, nichts war zu teuer für diesen einen Moment, an dem die Priester die beiden Steintafeln mit den 10 Geboten in das Allerheiligste des Tempels bringen würden.
Der Tempel Salomos! Der Sohn Davids hatte ihn vollendet. Das Volk war am Ziel. Nach vierzig Jahren Wanderung durch die Wüste, als Moses die Verheißung der zehn Lebensregeln empfing und schließlich der König David sie nach Jerusalem brachte. Er begann, einen Tempel zu planen, nach dem Vorbild der Stiftshütte, des heiligen Zeltes, in dem das Volk auf seiner Wüstenwanderung seinen Gott anbetete. Jetzt hatte Salomo diesen Tempel vollendet.
Doch noch nicht ganz. Etwas fehlte noch. Die Mitte des Tempels war noch leer. Was für ein Festtag, was für ein Gottesdienst würde es werden, wenn die Bundeslade, die Truhe mit den Tafeln der Gebote darin, in diese Mitte des Tempels getragen würde: ins Allerheiligste. Dann erst würde die Wanderung durch die Wüste vollendet sein, die Verheißung vom Land, da Milch und Honig fließt, erfüllt. Und so beschreibt das 5. Kapitel des zweiten Buchs der Chronik dieses einmalige Fest:
„Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat ist. Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten. Aber der König Salomo und die ganze Gemeinde Israel, die bei ihm vor der Lade versammelt war, opferten Schafe und Rinder, so viel, dass es niemand zählen noch berechnen konnte.
So brachten die Priester die Lade des Bundes des HERRN an ihre Stätte, in den innersten Raum des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim, dass die Cherubim ihre Flügel ausbreiteten über die Stätte der Lade. Und die Cherubim bedeckten die Lade und ihre Stangen von oben her. Die Stangen aber waren so lang, dass man ihre Enden vor dem Allerheiligsten sah, aber von außen sah man sie nicht. Und sie war dort bis auf diesen Tag. Und es war nichts in der Lade außer den zwei Tafeln, die Mose am Horeb hineingelegt hatte, die Tafeln des Bundes, den der HERR mit Israel geschlossen hatte, als sie aus Ägypten zogen.
Und die Priester gingen heraus aus dem Heiligtum – denn alle Priester, die sich eingefunden hatten, hatten sich geheiligt.“
Die Bundeslade war angekommen. Das Fest auf seinem Höhepunkt. Natürlich muss jetzt Musik erschallen. Chor und Trompeten, Gesang und Posaunen erfüllten das Haus. Alle Musiker waren aufgeregt und gerührt. Die Chorleiter allemal, aber sie waren froh, dass sich das viele Proben gelohnt hatte. Alle gaben ihr Bestes. Es klang wunderbar! Was wäre auch ein Festgottesdienst ohne Chor und Posaunen? Das sind Gänsehautmomente! Unvergesslich. Das klingt im Chronik-Buch so:
„Alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN - als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«
Die Musik mündete in der berühmten Gnadenformel: gütig und barmherzig ist der Herr. Und alle sangen diese Melodie hin und her im ganzen Tempel. Alle Predigten gehalten, alle Gebete gesprochen. Jetzt, im gemeinsamen Singen kann es gleichzeitig geschehen: Loben und Lob hören. Gemeinschaft stiften - indem ich singe - und Gemeinschaft erfahren - indem ich den anderen singen höre. Bekenntnis sagen und sich Ermutigung zusagen lassen – das vereint nur die Musik. In einem Moment. Und da geschieht es. In diesem Moment sagt das Chronik-Buch:
„Da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des HERRN, sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.“
Musik erklingt und die Gegenwart Gottes erfüllt seine Kirche. Wir haben ihn nicht herbei gesungen. Im Singen und Sagen aber hört er unser Lob und unser Bekenntnis. Aber Gottes Ohren hören anders als unsere. Seine Ewigkeit durchbricht allen geordneten Gesang und allen geplanten Ablauf. Nicht und nie lässt sich Gott an einen Ort binden, so sehr wir uns auch um festliche Gottesdienste bemühen. Da war nur eine Wolke. Aber alles wurde anders. Kein Priester konnte mehr seinen Dienst versehen, obwohl doch alles so schön geplant war.
Da war die Wolke wieder, wie sie einst das Volk Israel auf seiner Wanderung am Berg Sinai sah und seinen Weg unterbrechen musste, als Gott wie Posaunenklang sich hören ließ und Moses die Gebote gab.
Gott durchbricht unsere Wege und Pläne, wenn er sich sehen lässt. Wir rufen ihn nicht herbei. Wenn Gott gegenwärtig ist, dann ist der Dienst der Priester nicht mehr möglich. Dann sind all unsere Gottesdienst-Konzepte am Ende. Dann nützt es nichts, dass wir tolle Ideen haben, wie wir unsre Kirche wieder attraktiv machen können. Da hilft uns kein Hygiene- und Schutzkonzept, trotz Corona unsere Kirchen wieder zu öffnen. Mit Gottes Gegenwart kommt unser Dienst zum Ende.
Es ist erstaunlich: Je leerer unsere Kirchen werden. Je länger wir keine Gottesdienste wegen des Virus feiern dürfen, desto reger, aktiver, kreativer werden wir mit unseren Ideen, doch wieder in unsere Kirchen einzuladen. Doch: Feiern wir unseren Gott oder uns selbst, ob unserer toll geplanten Gottesdienst-Modelle? Lassen wir es noch zu, dass Gott unsere Vorstellung von Gottesdienst und all unsere Bemühungen darum durchkreuzt – einfach nur, weil er gegenwärtig ist? Oder halten wir lieber an unseren gewohnten Gottesdienstabläufen fest, weil sie uns lieb und wert sind?
Trauen wir doch unserem Gott, und lassen ihn mitten unter uns – wo wir auch sind. Auch wenn damit all unser Dienst und unser Ringen um schöne Gottesdienste zu Ende ist – wie damals beim großen Fest, als die Gebote in den Tempel kamen. Es war übrigens wirklich ein unvergesslicher Gottesdienst. Denn Gott war gegenwärtig. Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pfarrer Bodo Meier
Predigt 2. Chronik 5, 2-14
Sonntag Kantate
10. Mai 2020
Gebet
Herr, ein neues Lied soll ich dir singen. Ich höre die Einladung und singe eigentlich ganz gern.
Aber ich muss an so vieles denken, was in meinem Leben unter der Überschrift "Immer das alte Lied" und "Immer die alte Leier" läuft.
Dieses alte Lied, bei dem jeder Vers mit "ich" statt mit "du" anfängt. Diese alte Leier, deren Refrain immer lautet: "Und was habe ich davon?"
Ich denke daran, wie oft ich nicht mitsingen mag, ich unbedingt die erste Geige spielen will – und wie ich auf Standpauken zurückgreife, wenn sich andere nicht von mir dirigieren lassen wollen.
Herr, vor dir fallen mir meine vielen schlechten Angewohnheiten ein, an denen mein Leben hängen bleibt wie ein Orgelton an einer verklemmten Taste.
Ich denke auch an meine vielen Klagelieder, die kein Mensch mehr von mir hören will und die – ich gebe es zu – manchmal nur meine schnöde, gedankenlose Undankbarkeit vertonen.
Und mein Alltagskonzert aus Pflicht und Hast, Lust und Last – nein, das neue Lied kann das auch nicht sein.
Das neue Lied – war es vielleicht das Lied, das ich vor ein paar Tagen auf einsamer Autofahrt gegen die Windschutzscheibe schmetterte – ganz von innern heraus? Weil ich so froh war und weil ich wenigstens für Minuten wusste: Mein Leben – dein Geschenk.
War es das neue Lied, als ich gerade eben ahnte, was es bedeutet, im Gebet verbunden zu sein mit Menschen in all ihren Häusern, als wären wir überraschende Harmonie aus einzelnen Melodien?
Herr, du Gott meines Lebens: Du und deine Liebe, das müsste mein Lieblingslied sein. Du und deine Liebe müssten tonangebend sein, dass endlich mein Leben anfängt zu singen. Herr, gib mir, gib uns das neue Lied selbst ins Herz. Amen.
Comments