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Früher war alles besser? Nein! Es war von Anfang an sehr gut.

Eine Predigt von Pfarrer Bodo Meier.



Online-Predigt zum ersten Sonntag nach Trinitatis – 14. Juni 2020



Lieder zum Anhören, Genießen und Mitsingen:


Evangelisches Gesangbuch 199: Gott hat das erste Wort



Evangelisches Gesangbuch 253: Ich glaube, dass die Heiligen



Predigt in Schriftform zum Nachlesen:


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.


„Und siehe, es war sehr gut!“ So sprach Gott, als seine Schöpfung vollendet hatte und die Welt ins Leben rief. Alles war wohl geordnet. Regen und Sonne zur rechten Zeit. Der Mensch ein friedliches Wesen, dankbar, im Garten Eden gleich einem Paradies leben zu dürfen. Es war alles sehr gut.


Doch das Paradies gibt es ja nicht mehr. Wir wurden daraus vertrieben und haben es nicht mehr wieder gefunden. Wir leben in einer anderen Welt. Einer, die wir uns gemacht haben – voller Krieg und Terror, voller Ungerechtigkeit und Ausbeutung, voller Sorge und Angst vor Morgen.

Da wundert es nicht, dass wir uns manchmal nach paradiesischen Zuständen zurücksehnen. Lieber belassen wir es aber bescheidener bei dem Stoßseufzer: „Früher war alles besser!“ Da hatten die Menschen mehr Zeit, heißt es. Da waren die Menschen herzlicher, heißt es. Da machte Autofahren auf leeren Straßen noch Spaß, heißt es. Da war der Winter noch kalt und der Sommer warm, heißt es. Früher war alles besser.


Es ist gar nicht wichtig, ob das stimmt oder nicht. Wenn wir in unserer Welt nicht mehr zurecht kommen oder an ihr leiden: unter dem Zeitdruck nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in der Familie. An abweisenden, ja feindseligen Verhalten unserer Mitmenschen, am übervollen Straßenverkehr mit seinen Blechlawinen und Abgasen. Dann fühlen wir eine tiefe Sehnsucht, es soll doch bitte wieder eine Welt geben, wie sie früher war, besser als die, in der ich jetzt lebe, an der ich leide, in der Menschen ausgebeutet, unterdrückt, ja und auch gefoltert und ermordet werden.


Christen sind da nicht anders. Sie beklagen, dass für immer mehr Menschen in unserem Land der christliche Glaube immer mehr an Bedeutung verliert, bis hin zur Gleichgültigkeit. Früher waren die Kirchen noch voll. Früher kannten die Menschen noch ihre Bibel. Früher hatte das Wort der Kirche noch Gewicht. Früher war alles besser. Wie erst recht armselig, wie kraft- und mutlos wirkt Kirche und Gemeinde, von heute, wenn wir vom Gemeindeleben der aller ersten Christen hören, wie es uns der Evangelist Lukas im vierten Kapitel seiner Apostelgeschichte erzählt:


„Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam. Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Land oder Häuser hatte, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte. Josef aber, der von den Aposteln Barnabas genannt wurde – das heißt übersetzt: Sohn des Trostes –, ein Levit, aus Zypern gebürtig, der hatte einen Acker und verkaufte ihn und brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.“


Von großer Kraft ist da die Rede. Von großer Gnade. Davon, dass keiner Mangel hatte. Paradiesische Zustände müssen das gewesen sein. Die ersten Christen ganz beseelt vom Heiligen Geist leben das, was Christus sie lehrte: Gemeinschaft, Liebe und Lob des großen Gottes. Mein Hab und Gut dient ausschließlich der Gemeinde. Ein Herz und eine Seele! Alle zusammen. Jedem, was er braucht.


Nicht wenige Christen bewundern denn auch diese vollkommene christliche Gemeinschaft. Denn die Glieder heutiger Kirchengemeinden teilen nicht mehr alles, verkaufen nicht mehr alles, um es einfach so einem anderen zu geben. So machte denn auch schnell das Wort vom „Ur-Kommunismus“ der ersten Christen die Runde, was uns in Erinnerung an den Kalten Krieg etwas unbehaglich zurücklässt. Wir haben uns ganz offensichtlich sehr von den Anfängen unserer Glaubensgemeinschaft entfernt.


Früher muss es besser gewesen sein – mit dem Zusammenhalt, der Gemeinschaft, der Fürsorge umeinander. Jedenfalls erzählt es Lukas so. Und sorgte schon bei seinen Zeitgenossen für Verwunderung.


Denn wie Lukas es erzählt, war es nicht und war es nie.


Die perfekte Gemeinde bekommt schon derbe Risse, noch bevor von ihr zu Ende erzählt wird. Schon im nächsten Vers heißt es: Ein Ehepaar will nicht teilen und fällt als Strafe dafür tot um! Wenn der Heilige Geist aus allen ein Herz und eine Seele gemacht hat, warum dann diese beiden Getauften nicht? War er für diese beiden Störrischen zu schwach? Wohl kaum! Später berichtet Lukas, wie sieben Diakone gewählt werden müssen, damit die sich um die armen Witwen kümmern sollen, die bisher übersehen wurden. Wie kann das sein, wenn alle alles teilten und niemand Mangel litt? Es litten offenbar sehr wohl Menschen Mangel – und typischer Weise die, die ohnehin kein Ansehen hatten. Die Alte Kirche, die die Schriften des Neuen Testaments zusammenstellte, tat weise daran, die Briefe des Paulus an die Seite der Apostelgeschichte zu stellen. Denn Paulus berichtet seitenweise von Missständen in der Gemeine: von Neid und Machtspielen, von Gaben, die nicht gegeben werden, von Streit, der verbittert geführt wird.

Wenn all das stimmt, kann dann noch wahr sein, was Lukas uns erzählt von einem Herzen und einer Seele? Da bekommen wir es mit der Angst zu tun. Bitte, lass doch wahr sein, was Lukas erzählt. Wir sehnen uns doch nach der großen Kraft der Auferstehung und nach der großen Gnade, als seine eine Gemeinde leben zu können. Aber wenn das nie so war. Es muss doch so gewesen sein, rufen schon einige Christen und verbiegen ihren Verstand, um die Erzählung des Lukas zu retten, weil es eben doch genau so gewesen sein muss. Sonst können wir doch gar nichts mehr glauben.


Doch, wir können glauben, was Lukas über die Gemeinde Gottes erzählt. Wir dürfen glauben, dass Menschen alles hergeben, sogar all ihre Sicherheiten, will sagen ihr Erspartes, um es ganz in Gottes Hand zu legen. Menschen, die mit Herz und Seele ihrem Gott vertrauen, dass Menschen leben können, Gemeinschaft und die Freiheit der Liebe darin erfahren. All das dürfen wir glauben. Dass unsere Sehnsucht danach gestillt wird


Denn Lukas erzählt nicht, was war. Lukas erzählt im Glanz der Auferstehung und Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus, was er uns verheißen hat. Er erzählt es uns, als sei es schon geschehen, als sei es schon Wirklichkeit. Denn wenn Gott spricht, ist es schon geschehen. Siehe, es war sehr gut! Lukas steht in der Reihe der großen Propheten, die von Gottes verheißener Zukunft erzählen, als sei sie schon geschehen. Was Gott verheißt, ist Wahrheit. Was Lukas von der ersten Gemeinde erzählt, ist wahr. Weil wir darauf hoffen dürfen, dass es einmal so sein wird. Auch für uns. Der Heilige Geist wirkt auch für uns, denn er hat nie aufgehört, in dieser Welt zu wehen. Schon deshalb kann die Gemeinschaft der ersten Christen nicht zerbrochen sein. Im Gegenteil: Sie wird kommen. Streit, Hass, Neid, Unrecht, Ausbeutung wird überwunden und ist es schon, erzählt Lukas, denn der Geist Gottes hat es verheißen in der Auferstehung Christi, und deshalb ist es wahr. Es war so, und es wird so sein.


Früher war alles besser? Nein! Siehe, es war von Anfang an sehr gut. Und vollendet wird es sehr gut sein. Das ist mehr als unsere Sehnsucht. Es ist Hoffnung. Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Pfarrer Bodo Meier

Apostelgeschichte 4, 32-37

Erster Sonntag nach Trinitatis

14. Juni 2020



Gebet

Gott, du handelst durch Menschen und trägst die Geschichte ihres Lebens. Du vertraust ihnen deine Schöpfung an. Frauen und Männer lassen sich rufen von deinem Wort, lassen sich bewegen von deiner Kraft.

Wir bitten dich: Höre nicht auf, Menschen zu gewinnen, die deine Liebe und Gerechtigkeit leben. Amen.


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