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Er tat es aus Liebe! Nur aus Liebe! – Und wir? Wir sind frei. Auch in Zeiten des Virus.

Eine Predigt von Pfarrer Bodo Meier.



Online-Predigt zum Sonntag Misericordias Domini – 26. April 2020



Lieder zum Anhören, Genießen und Mitsingen:


Evangelisches Gesangbuch 274: Der Herr ist mein getreuer Hirt



Evangelisches Gesangbuch 358: Es kennt der Herr die Seinen



Predigt in Schriftform zum Nachlesen:


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Es muss sich doch langsam mal was ändern. Wo ist denn nun unser Gott? Warum lässt er noch immer zu, dass Menschen sterben, dass Menschen leiden, dass Menschen Unrecht widerfährt?

Nicht nur wir heute fragen manchmal so – in Krisenzeiten ohnehin. Nein, das waren die Fragen schon der zweiten Generation der Christenheit. Deren Eltern waren noch überzeugt, das Christus zu ihren Lebzeiten wiederkommen würde, sein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit aufzurichten. Aber nun waren schon 70 Jahre vergangen und nichts hatte sich geändert. Die Botschaft Jesu Christi verlor an Kraft. Viele der Getauften wandten sich schon wieder ab. Einige der Aposteln aber stemmten sich gegen diese Enttäuschung. Ein Brief aus dieser Zeit ist uns überliefert – mit Namen „erster Petrusbrief“. Da steht gleich am Anfang:

„Christus hat für gelitten euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheim stellte, der gerecht richtet; der unsre Sünden selbst hinauf getragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.“ (1. Petr 2, 21-25)

Diese Zeilen richten sich an Sklaven ausgerechnet. Wer sehnte sich wohl mehr nach Freiheit, nach Gerechtigkeit als die Menschen, die keine Rechte hatten, die Eigentum eines Menschen waren, wie sein Vieh oder sein Haus. Ausgerechnet Sklaven mahnt Petrus, weiterhin ihren Herren zu dienen, nicht nur den gerechten, sondern auch den „wundersamen“ wie er sie kurz zuvor nennt. Ordnet euch unter, ihr Sklaven, schreibt er. Leidet an der Ungerechtigkeit, wie Christus am Kreuz gelitten hat.


Das verschlägt uns den Atem: Ein Apostel Jesu Christi verteidigt die Sklaventreiber? Er ruft auf, Unrecht einfach zu erdulden? Sind die Vorurteile über die lieben, aber weltfremden Christen, doch wahr? Christen lassen sich schlagen, lassen sich ausnutzen, erdulden alles wie dumme Schafe und halten noch die andere Wange hin?


Ja, Christen lassen sich schlagen, aber nicht ausnutzen. Ja, Christen erdulden Vieles, gerade weil sie keine dummen Schafe sind. Aus den Zeilen des Petrusbriefs lesen wir zweierlei:

Erstens Petrus ist alles andere als weltfremd und weiß, dass alle offene Rebellion gegen die herrschende Klasse völlig sinnlos wäre und nur zu Blutvergießen führen und zu noch mehr Unterdrückung führen würde.


Zweitens ist dieser Petrus eben kein Mensch des 21. Jahrhunderts und hat als Kind seiner Zeit gelernt, dass Sklaverei eine natürliche Ordnung sei. Die Bibel ist eben nicht Wort für Wort in unsere Welt zu übertragen. Martin Luther hat es einmal so gesagt: Gottes Wort will als Menschenwort durch die Welt laufen. Wie Gott Mensch wurde, so wird auch Gottes Wort zum Wort der Menschen. Diese Menschen können ja nur in je ihrer Zeit zu ihren Zeitgenossen sprechen. Nahm der Petrusbrief die Sklaverei noch als Gott gegeben, so brauchen, ja dürfen wir das nicht mehr. War es damals den christlichen Sklaven Trost, dass ihr Herr Jesus auch zu Unrecht gelitten hat, so fragen wir nach Gottes Wort für unsere Zeit, wenn wir vom duldsamen Hinnehmen aller Ungerechtigkeit hören.


So gefragt, antwortet der Petrusbrief eben nicht mit Durchhalteparolen zum Stillhalten, weil sich hier ja doch nichts ändert und erst im Himmel alles besser wird. Im Gegenteil! Petrus sagt: Es ist jetzt schon alles anders, alles durch Christus getan. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden – jetzt schon.


Er zitiert damit den Propheten Jesaja, wie er vom Gottesknecht erzählt, der alle Werte auf den Kopf stellt: Der Hässliche, der Kranke, der Gebeugte ist der von Gott Erwählte, der alles trug, was eigentlich die Menschen hätten tragen müssen. Wir dürfen ihn in Christus wieder erkennen. Denn Christus hat sich nicht willkürlichen Herrschern gebeugt, weil die Macht über ihn hätten. Er hat sich keine fremde Last von ihnen aufladen lassen. Er hat für andere etwas getragen. Er hat den Armen, den Entrechteten, den Ausgestoßenen, den Gescheiterten und den Schuldigen ihre Last abgenommen. Er hat alles von ihren Schultern genommen, was sie vom Leben trennte, alle Verzweiflung und alle Angst vor Morgen, ja sogar den Tod.


Er trug all dies nicht, weil wir ihn dazu hätten zwingen können. Er tat es nicht, weil irgend eine Gewalt ihn dazu hätte zwingen können. Er tat es aus einem einzigen Grund: Er tat es aus Liebe! Nur aus Liebe! Andere sahen nur den Galgen, sahen nur das Kreuz, an das er genagelt wurde, und sprachen von Opfer, von Sühne. Dabei war es doch nur die Liebe Gottes, die ihn tragen ließ, was uns Last war. Deshalb spricht Petrus davon, dass er die „Sünden selbst hinauf getragen hat“ ans Kreuz. Da ließ sich keiner festnageln, opfern. Da nahm einer uns die Last ab und trug sie selbst hinauf. Nur wer liebt, hat solche Kraft. Nur wer liebt, gibt sich ganz hin. Für andere. Für die, die er liebt.


Die ihn kreuzigten, mögen gedacht haben, sie hätten ihn besiegt, hätten gewonnen, stünden nun wieder gut da. Nach ihrem Weltbild von Macht und Ohnmacht, von Herrschen und Dienen, von Siegern und Verlierern, von Gewinnern und Opfern, hatte Jesus verloren, war er das dumme Opfer. Doch Jesu Liebe funktioniert nicht nach den Spielregeln dieser Welt. Jesus begab sich nicht unter die Herrschaft seiner Peiniger. Sie konnten gar nicht über ihn herrschen, ihn opfern. Denn wer liebt, hat keine Angst. Furcht ist nicht in der Liebe. Und wer sich nicht fürchtet, kann nicht beherrscht werden, nicht von Angst, nicht von ungerechten Herrschern, nicht von Krankheit, nicht von Tod.


Deshalb – und da schlägt eine Brücke von 2000 Jahren von Petrus zu uns –, deshalb können sogar Sklaven frei sein. „Der Mensch ist frei, frei und wäre er in Ketten geboren“, rief einst Friedrich Schiller. Wenn Menschen, die unter Unfreiheit leiden, entdecken und erkennen, dass sie geliebt werden, so sind sie schon befreit. Wer geliebt ist, für den gelten keine Grenzen und keine Mauern mehr. Wer geliebt ist, hofft auf den nächsten Morgen, so viel Leid der auch bringen mag.


Denn wer geliebt ist, weiß: Ich bin jemandem wertvoll. Da ist einer, der sich um mich sorgt. Kein Unrecht kann daran etwas ändern. Vielleicht ändere ich nicht das Unrecht. Aber es hat keine Macht mehr über mich, denn: Christus hat alle meine Lasten und Schulden für mich getragen. Weil er mich liebt.


Er ist der Herr meines Lebens. Denn ich sehne mich, dass er mich liebt. Und alles wird neu. Nichts bleibt beim Alten. Gewiss, das ist kein Aufruf zu gewalttätigem Umsturz. Und doch ist längst alles umgestürzt. Wenn der Galgen, das Kreuz zum Zeichen der Liebe geworden ist, wie hilflos mögen dann die Mächtigen sein, wenn wir zwar an ihnen leiden, aber sie keine Macht mehr über uns haben. Wer niemanden zu beherrschen hat, wer niemanden hat, der sich vor ihm fürchtet, der hat all seine Macht schon verloren.


Das gilt übrigens genauso für das Virus, das uns beherrschen will. Wir fühlen uns, als hätte es uns im Griff. Sicher befolgen wir Regeln, die im Moment notwendig sind. Aber das Böse hat keine Macht über uns. Denn wir fürchten es nicht. Weil wir geliebt sind. Und einander tragen. Und aufeinander achten.


Es bleibt die Liebe. Nur Christus, nur die Liebe hat Macht. Und die ist die einzige, die dem Leben dient.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Misericordias Domini

26. April 2020

Pfarrer Bodo Meier


Gebet

Wir danken dir, Gott, für deine Liebe zu uns. Du liebst die Schönheit und die Fülle des Lebens.

Lass Menschen von deiner Liebe hören, in deren Leben Bedrängnis und Bedrohung eingezogen ist,

die von Lasten und Leiden niedergedrückt,

von Traurigkeit und Trübsal gelähmt,

von Einsamkeit und Eintönigkeit geplagt werden,

die Ärger und Angst aushalten müssen

und die verzagt und verzweifelt keine Lebensfreude mehr finden.

Lass Orte von deiner Liebe hören,

über denen Wolken und finstere Schatten liegen,

an denen Terror und Seuche und Krieg sich mächtig gebärden,

die von Hunger und Katastrophen erschüttert werden.

Lass von deiner Liebe hören,

damit Zuversicht keimen,

Frieden gedeihen,

Lebensmut wachsen

und Freude einkehren kann

bei allen Menschen

und an allen Orten.

Wie du, Gott, das Ende überwunden,

Neues geschaffen

und dem Leben zum Sieg verholfen hast,

so lass auch uns

im Vertrauen auf dich

aufstehen,

Neues wagen

und das Leben gewinnen. Amen.


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