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Christus ist kein Oberkellner im Schlaraffenland!

Eine Predigt von Pfarrer Bodo Meier.



Online-Predigt zum siebten Sonntag nach Trinitatis – 26. Juli 2020


Predigt in Schriftform zum Nachlesen:


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Brot! An einem Grillabend mit Freunden in einem Garten vor dem Haus. Das hübsche Körbchen mit duftendem Brotstücken wird herumgereicht. „Das habe ich selbst gebacken!“ „Du musst mir unbedingt das Rezept geben. Es ist köstlich! So ausgewogen im Geschmack und doch so raffiniert.“


Brot! Auf einer griechischen Insel mitten zwischen dreckigen Zelten hält ein Lastwagen. Helfer steigen aus und wollen Brotlaibe verteilen, die schon seit Tagen an der Grenze, am Zoll gelegen haben. Die Menge der Menschen drängt zum Lkw. Die Helfer sehen nur noch Hände, die gleichzeitig versuchen andere wegzustoßen und ein Brot zu packen. Sie hören verzweifelte Rufe und die Schreie der Kinder.


Dasselbe Europa. Die gleiche Union. Und es sollte auch ein Brot sein, gleich für alle.

Ist es aber nicht. Es kommt darauf an, wer nach Brot fragt: Der, der satt ist, aber täglich neuen Genuss sucht. Oder der, der hungert und täglich neu zu überleben sucht. Brot ist Nahrung und Sehnsucht. Wir brauchen Brot. Die einen aber sind sich sicher, dass sie es auch morgen haben werden. Die anderen wissen nicht, wie sie es morgen bekommen sollen. Die einen arbeiten dafür und würden nie darum betteln wollen. Die anderen müssen darum betteln und wollen so gern dafür arbeiten.


Für uns alle bedeutet Brot Leben. Nicht nur, dass wir leben, sondern auch, wie wir leben und ob wir morgen noch leben. Brot ist nicht nur Nahrung. Brot ist auch unsere Sehnsucht nach Leben. Sei es, dass wir darum bangen müssen oder darauf hoffen dürfen – dass wir es auch bekommen: Unser täglich Brot!


„Gib uns solches Brot!“ erbaten auch die Menschen von Jesus, gerade als er 5000 Männer und deren Familien satt gemacht hatte, obwohl das Brot dazu eigentlich nicht reichte. Aber dieses Wunder, dass heute alle satt wurden, reichte ihnen nicht. Sie sehnten sich nach mehr. So erzählt uns der Evangelist Johannes in seinem sechsten Kapitel:

„Das Volk sprach zu Jesus: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsere Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht: »Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.« Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot. Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“

„Gib uns solches Brot!“ Das wäre doch etwas. Jesus erzählt etwas von einem Brot, das Leben gibt, und zwar der ganzen Welt. Brot, das satt macht, nicht nur heute, sondern sicher auch morgen und immer. „Gib uns allezeit solches Brot!“ Sie wollen ausgesorgt haben – für ihr ganzes Leben. Wer das Wunder tut und heute satt macht, der kann auch mein ganzes Leben mit Brot füllen, meine ganze Sehnsucht stillen – auf das, was da noch kommt. Ich kann es kaum erwarten, dass es jetzt beginnt.


Dann wär’s wie im Schlaraffenland. Immerwährender Sommer! Im Schatten eines Baumes nur noch den Mund öffnen und süßer Wein und feine Brotkuchen flögen mir zu. Satt mein Lebenshunger. Satt meine Lebenssehnsucht – immerzu, jeden Tag, mein ganzes Leben.

Was für eine Langeweile!


Spätestens seit diesen Zeiten der Pandemie wissen wir, was es bedeutet, nichts tun zu dürfen. Nicht arbeiten zu dürfen. Nicht tun dürfen, was meinen Tag ausfüllte: Einkaufen, Joggen, Stammtisch, Bibelkreis, Nachbarbesuch. Sicher genossen wir, wie sich unser Leben verlangsamte: Keine Hektik, kein Stress, keine eiligen Termine mehr. Aber wie das Märchen vom Schlaraffenland übel endet, erkennen auch wir mehr und mehr: Haben wir auch alles, uns fehlen die Menschen um uns. Schlaraffenland ist Ödland. Nicht hinsichtlich der Nahrung aber hinsichtlich des Lebens. Wenn ich dauernd satt bin, ist der Weg nicht mehr weit, zu satt fürs Leben zu sein. So lange Menschen noch Sehnsüchte und Träume haben, suchen sie andere Menschen, die sie mit ihnen teilen. Nur wem das Leben eben nicht mundgerecht vorgesetzt wird, fängt an, es zu suchen. Ein ewig satter Mensch hört auf zu leben – er hat das Leben satt.


Die Menschen, noch ganz unter dem Eindruck der 5000 satten Männer, sehen diese Gefahr noch nicht und fragen sich, warum sie immer noch für ihr Brot täglich arbeiten müssen. Gerade wurde es doch anderen einfach so hinterher geworfen. Da fragen sie sich: Für andere sorgst du. Aber, Jesus, was hab ich von dir? Gib mir, was ich mir so fürs Leben wünsche. Dann finde dich auch ganz toll – oder meinetwegen, dann glaube ich auch an dich. Lieber Gott, mach Frieden in der Welt, dann glaub ich auch an dich. Wenn du keinen Frieden in der Welt machst, dann gibt es dich auch nicht. Wir kennen das.


Christus ist kein Oberkellner im Schlaraffenland. Wäre er das, ich würde nur immer mehr von ihm fordern, würde mich nur immer mehr von ihm versorgen lassen. Und meine Sehnsucht nach vollem Leben bliebe unerfüllt und täte täglich mehr weh. Weil ich nicht gehört hätte auf die Geschichte als Jesus die 5000 satt machte.


Er tat es, indem er sie aufeinander wies, indem er ihnen sagte: Bildet Gruppen, nehmt einander wahr, seht nicht nur auf euch, sondern auch, was der Mensch neben euch, euer Tischnachbar braucht. Da konnten die Menschen spüren, was Leben ist. Da wurde ihnen nicht das Leben satt, aber ihnen wurde die Fülle des Lebens geschenkt. Weil die eine sah, was der andere brauchte. Weil einer erkannte: Die Sorgen des einen da kenne ich auch.


Trotzdem sahen einige immer noch nur ein Wunder wie aus dem Schlaraffenland und wollten davon immer noch mehr für sich: Wie ein Süchtiger, der immer mehr braucht, aber niemals genug haben wird. „Lass das Brot vom Himmel regnen, so glauben wir dir!“ Aber Jesus gibt keine Zeichen. Als damals das Volk in der Wüste mit Brot versorgt wurde, war es ja auch nicht Moses Zeichen. Es war Gottes Tat. Leben kommt von Gott selbst, von niemandem sonst.


Wer so mutig ist, seine Sehnsucht nach Leben nicht übertünchen zu lassen mit Wundern und Tagträumen; wer das volle Leben nicht verwechselt mit Forderung nach Rundum-Versorgung, der kann sich ganz dem anvertrauen, dem er sein Leben zu verdanken hat: „Ich bin’s“, sagt Jesus und erinnert damit an die Offenbarung Gottes im brennenden Dornbusch als er dem Mose sagte: „Ich bin, der ich bin!“ „Ich bin’s“: das Leben, das Brot zum Leben, das, was ihr zum Leben in seiner ganzen Fülle braucht. Der es euch sagt, ist es selbst: Der Christus! Er kommt zu euch als Mensch, als Gott des Lebens.


Mit ihm hört das Leben auf, das nur sich selbst kennt: „Was habe ich davon?“ Mit ihm fängt das Leben in seiner ganzen Fülle an, bunt und unerwartet und wunderschön: „Was habe ich an dem anderen, was hat er von mir?“


Weil Christus angefangen hat, als er von Gott erzählte, nach uns zu fragen und uns einlud, nach ihm zu fragen und vom Leben zu hören: „Ich bin das Brot des Lebens, wer zu mir kommt, der wird nicht hungern.“ Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Pfarrer Bodo Meier

Johannes 6, 30-35

Siebter Sonntag nach Trinitatis

26. Juli 2020

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